Wann verjährt Steuerhinterziehung? – Eine Arbeitshilfe für den Steuerbürger

Diese Arbeitshilfe gibt dem Steuerbürger einen Überblick, wann die Steuerhinterziehung verjährt. Die Arbeitshilfe ist nicht erschöpfend; behandelt werden wichtige Themen. Die Prüfung der Verjährung im Einzelfall ersetzt diese Arbeitshilfe nicht. Rechtliche Ausführungen werden zurückgestellt.

I. Verfolgungsverjährung und Festsetzungsverjährung

Besteht der Verdacht der Steuerhinterziehung, ist für die Verjährung zu unterscheiden, ob es um die Frage geht, wie lange die (Steuer-)Straftat verfolgt und geahndet werden kann (Verfolgungsverjährung), oder darum, wie lange die Steuerfestsetzung aufgehoben oder geändert (Festsetzungsverjährung) werden kann.

1. Verfolgungsverjährung1

Die Steuerhinterziehung kann strafrechtlich verfolgt und geahndet werden, solange die Tat nicht verjährt ist. Die Verjährung schließt die Ahndung der Tat aus (§ 78 Abs. 1 StGB). Ist die Steuerhinterziehung verjährt, liegt nach der Rechtsprechung ein Verfahrenshindernis2 vor. Das steuerstrafrechtliche Ermittlungsverfahren ist dann in jeder Lage des Verfahrens – von Amts wegen – einzustellen. Mit der Rechtskraft der Entscheidung endet die Verfolgungsverjährung; sie ist abzugrenzen von der mit der Rechtskraft der Entscheidung anlaufenden Vollstreckungsverjährung (§§ 79 ff StGB).

2. Festsetzungsverjährung

Eine ganz andere Problematik regelt die Festsetzungsverjährung. Die Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung sind nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist (§ 169 Abs. 1 Satz 1 AO). Ist die Festsetzungsverjährung eingetreten, darf die Steuerfestsetzung nicht mehr aufgehoben oder geändert werden.3 Die Festsetzungsfrist beträgt für Steuern und Steuervergütungen vier Jahre (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO). Die Festsetzungsfrist verlängert sich auf zehn Jahre, soweit eine Steuer hinterzogen, und auf fünf Jahre, soweit eine Steuer leichtfertig verkürzt worden ist (§ 169 Abs. 2 Satz 2 AO). Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist […] (§ 170 Abs. 1 AO). Abweichend davon beginnt die Festsetzungsfrist, wenn eine Steuererklärung oder eine Steueranmeldung einzureichen oder eine Anzeige zu erstatten ist, mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuererklärung, die Steueranmeldung oder die Anzeige eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist, es sei denn, dass die Festsetzungsfrist gemäß § 170 Abs. 1 AO später beginnt.

Sachverhalt: A gibt 2005 seine Erklärung zur Einkommensteuer für 2004 ab. Er verschweigt bewusst Honorareinnahmen. Gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO beginnt die Festsetzungsfrist für die Einkommensteuer für 2004 mit dem Ablauf des 31.12.2005. Die Festsetzungsfrist endet wegen der verlängerten Festsetzungsfrist für die Steuerhinterziehung von zehn Jahren mit dem Ablauf des 31.12.2015.

II. Dauer der Verfolgungsverjährung bei der Steuerhinterziehung

Die strafrechtliche Verjährungsfrist für die Steuerhinterziehung beträgt fünf Jahre (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB). Die Verjährungsfrist beträgt zehn Jahre, wenn ein – benannter – besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 bis 5 AO vorliegt (§ 378 Abs. 1 AO).

III. Beginn der Verfolgungsverjährung bei der Steuerhinterziehung

Unterschiedlich bestimmt wird, wann die Verfolgungsverjährung beginnt. Abgestellt wird auf die Steuer, die Handlungsform und das Verfahren (Festsetzungs-, Feststellungs- oder Erhebungsverfahren). Einige in der Praxis wichtige Punkte:

1. Einkommensteuer, Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer (Veranlagungssteuern)4

a) Abgabe unrichtiger oder unvollständiger Steuererklärung (positives Tun)

Die Verjährung beginnt mit der Bekanntgabe des Steuerbescheids.5 Die Bekanntgabefiktion ist zu beachten (strittig),6 dh. der Steuerbescheid gilt als bekannt gegeben am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post (§ 122 Abs. 2 Nr. 1 AO). Führt die Steuerfestsetzung zu einer Steuererstattung, beginnt die Verjährung mit der Auszahlung der Steuererstattung, wenn die Auszahlung nach der Bekanntgabe des unrichtigen Steuerbescheids erfolgt.7

Werden im Feststellungsverfahren, etwa in der Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung unrichtige Angaben gemacht, beginnt die Verjährung nicht mit der Bekanntgabe des Feststellungsbescheids (Grundlagenbescheid), sondern mit der Bekanntgabe des Steuerbescheids (Folgebescheid).8

b) Abgabe der Steuererklärung wird pflichtwidrig unterlassen (pflichtwidriges Unterlassen)

Die Verjährung beginnt, wenn das zuständige Finanzamt die Veranlagungsarbeiten für den maßgeblichen Veranlagungszeitraum allgemein abgeschlossen hat.9 Der allgemeine Abschluss der Veranlagungsarbeiten ist anzunehmen, wenn das Finanzamt die Veranlagung der betreffenden Steuer für den Veranlagungszeitraum „im Großen und Ganzen“ abgeschlossen hat.10 Wird vor dem allgemeinen Abschluss der Veranlagungsarbeiten ein zu niedriger Steuerbescheid aufgrund geschätzter Besteuerungsgrundlagen erlassen, beginnt die Verjährung mit der Bekanntgabe des Steuerbescheids.11

2. Umsatzsteuer, Lohnsteuer (Anmelde- oder Fälligkeitssteuern)12

Anders wird die Verjährung bestimmt bei den Anmeldesteuern. Das beruht auf der gesetzlichen Fiktion, die Steueranmeldung der Steuerfestsetzung gleichzustellen. Führt die Steueranmeldung zu einer Herabsetzung der bisher zu entrichtenden Steuer oder zu einer Steuervergütung, so steht die Steueranmeldung der Steuerfestsetzung erst gleich, wenn die Finanzbehörde zustimmt (§ 168 AO).

a) Abgabe unrichtiger oder unvollständiger Steueranmeldung (positives Tun)

Die Verjährung beginnt mit dem Eingang der Erklärung bei dem Finanzamt.13 Führt die Anmeldung zu einer Erstattung oder Vergütung der Steuer, beginnt der Lauf der Verjährungsfrist, wenn das Finanzamt die Zustimmung zu der Steueranmeldung bekannt gibt.14

b) Abgabe der Steueranmeldung wird pflichtwidrig unterlassen (pflichtwidriges Unterlassen)

Die Verjährung beginnt mit dem Ablauf der gesetzlichen Abgabefrist. Eine Fristverlängerung verschiebt den Fristbeginn.15


1 Im Strafrecht ist zwischen Verfolgungsverjährung und Vollstreckungsverjährung zu unterscheiden, vgl. StGB Allgemeiner Teil, Fünfter Abschnitt.

2 Vgl. BGHSt 2, 300, 301 ff, 306 ff. Das Wesen und die Zwecke der Verjährung sind strittig, vgl. eingehend Schauf in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 376 AO Rz. 44 (Juni 2009) mwN.

3 Vgl. Schauf in Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 376 AO Rz. 51 (Juni 2009).

4 Die Erbschaft- und Schenkungsteuer gehört zu den Veranlagungssteuern; es gelten Sonderregeln.

5 Vgl. BGH wistra 1984, S. 142; Jäger in Klein, AO, 12. Aufl. 2014, § 376 AO Rz. 21.

6 Vgl. Jäger in Klein, AO, 12. Aufl. 2014, § 376 AO Rz. 21 mwN.

7 Vgl. Jäger in Klein, AO, 12. Aufl. 2014, § 376 AO Rz. 24.

8 Vgl. Jäger in Klein, AO, 12. Aufl. 2014, § 376 AO Rz. 25.

9 Vgl. BGHSt 47, 138, S. 146; OLG München wistra 2002, S. 34; Jäger in Klein, AO, 12. Aufl. 2014, § 376 AO Rz. 28; aA. Joecks in Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht, 7. Aufl. 2009, § 376 AO, Rz. 27 ff mwN.

10 Vgl. BGHSt 30, S. 122, wobei offen ist, wann die Veranlagungsarbeiten „im Großen und Ganzen“ abgeschlossen sind.

11 Vgl. Jäger in Klein, AO, 12. Aufl. 2014, § 376 AO Rz. 27.

12 Vgl. Wenzler in Flore/Tsambikakis, Steuerstrafrecht, 2013, § 78 a StGB Rz. 18.

13 Vgl. Jäger in Klein, AO, 12. Aufl. 2014, § 376 AO Rz. 37.

14 Vgl. Jäger in Klein, AO, 12. Aufl. 2014, § 376 AO Rz. 36.

15 Vgl. Jäger in Klein, AO, 12. Aufl. 2014, § 376 AO Rz. 38.

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